Die Geschichte der frühesten Glocken in der Pfarrkirche St. Hippolyt, die der Volksmund St. Pölten nennt, ist auf Grund fehlender Quellen nicht mehr nachzuvollziehen.
Bis zur Zerstörung des Turmhelmes und der Glocken durch einen Blitzschlag im August 1793 besaß St. Pölten drei Glocken, von denen, wie Franz Sales Gailler in seiner 1756 erschienenen „Vindelicia Sacra“ schreibt, „zwei gänzlich kunstlos, ohne jegliche Inschrift und ohne Kreuz“ waren. Die dritte, 1725 in München gegossene Glocke trug als Zier das Pollinger Kreuz, flankiert von den Heiligen Anna und Agatha. Unter dem Kreuz war die Inschrift „Beim heiligen Kreuzzeichen weicht ihr feindlichen Kräfte“ zu lesen.
1794 bekam man zwei Glocken als Ersatz. Die Pfarrei beschaffte selbst eine größere, die weder Bildschmuck noch Inschrift aufwies. Und da St. Pölten seit 1471 dem Pollinger Augustinerchorherrenstift inkorporiert war, überließ Propst Franz Töpsl der Pfarrei eine Glocke. Die sechs Zentner schwere, 1586 gegossene Glocke war bezeichnet mit „DER · ERWIRDIGE · IN · GOTT ·IACOBVS · SCHWARZ · PROBST · ZV · BOLINGEN · LVS · MICH · GIESSEN · IM · IAR · M · D· LXXXVI“. 1829 kam wieder eine dritte Glocke, die an Größe mittlere der drei, in den Turm. Auf ihr war zu lesen: „MICH · GOSS · WOLFGANG · HVBINGER · IN · MÜNCHEN · ANNO · 1829. / PFARRER WAR DAMALS JOHANN ROTHMÜLLER“.
Nachdem eine der Glocken 1876 zersprungen war, ließ die Pfarrei St. Pölten 1877 beim Weilheimer Glockengießer Erasmus Kennerknecht ein neues vollständiges, aus vier Glocken bestehendes Geläut gießen. Dazu verwendete man das Erz der alten Glocken.
Die erste, 693 kg schwere und auf den Ton F1 gestimmte Glocke wurde bei der Weihe am 29. Mai 1877 dem Hl. Märtyrer Hippolyt als Kirchenpatron dediziert. Die Glockenkrone bestand aus betenden Engeln. Geziert war die Glocke mit einem Kruzifix und Statuetten der Jungfrau Maria und des Hl. Hippolyt sowie der Inschrift: „ZUM UMGUSS / DIESER GLOCKEN / GABEN GROESSERE / BEITRAEGE / C. & K. DIALER AG. HOECK / K. ZIMMERMANN, / A. SCHOETTL“. Die beiden weiteren Inschriften sind leider nicht im Wortlaut überliefert.
Die zweite Glocke, 356 kg schwer, mit der Stimmung A1, erhielt die Jungfrau Maria als Patronin. Als Schmuck dienten eine kleine Statuette der Patronin und einer weiteren Heiligen sowie die Inschriften: „Ave Maria, mater gratiae, ora pro nobis.“ und „Gegossen von Erasmus Kennerknecht in Weilheim. 1877“. Die dritte Glocke, auf C1 gestimmt, wies ein Gewicht von 201 kg auf und wurde zu Ehren der Hl. Mutter Anna geweiht. Sie war mit einer Statuette des Hl. Joseph mit dem Jesusknaben geziert. Am Glockenrand befand sich die Inschrift: „GEGOSSEN VON ERASMUS KENNERKNECHT IN WEILHEIM 1877“. Die mit 99 kg kleinste Glocke hatte den Ton F2 und als Patronin die Hl. Agatha. Auf dieser Glocke befanden sich ein Relief, das den Hl. Johannes von Nepomuk zeigte und am Glockenrand die Inschrift: „GEGOSSEN V. E. KENNERKNECHT IN WEILHEIM 1877“. Die übrigen Inschriften der dritten und vierten Glocke sind nicht überliefert.
Bis 1917 erklangen die Glocken, ehe sie dem Wahnsinn des Krieges geopfert werden mussten. Nur die große Glocke verblieb den St. Pöltnern und rief zunächst verwaist zu den Gottesdiensten. Dann überließ die Stadtgemeinde Weilheim der Vorstadtpfarrei als Ersatz für die abgelieferten Glocken die Steuerglocke aus dem Türmchen des Rathauses am Marienplatz.
Nach dem Ende des I. Weltkrieges machte sich die Pfarrei unter Pfarrer Alfons Bumiller an die Beschaffung neuer Glocken. Hans Kennerknecht, der Sohn des Erasmus, ergänzte die verbliebene väterliche Glocke durch drei neue. Alle drei Glocken zierte am oberen Rand ein Blumen-, Blatt- und Bandgewinde in Reliefausführung. Darüber hinaus war auf ihnen der Name des Meisters (Hans Kennerknecht) sowie das Jahr (1923) und der Ort des Gusses (Weilheim) vermerkt. Die größte Glocke der drei neuen wog 350 kg und war auf den Ton A1 gestimmt. Der Glockenpatron, der Hl. Joseph, war in Relief auf der Glocke zu sehen. Die auf C1 gestimmte Glocke wog 225 kg und hatte als Bildschmuck ein Relief ihres Patrons, des Hl. Georg. Die kleinste Glocke mit der Stimmung F2 hatte ein Gewicht von 150 kg. Als Zier diente ein Relief des Hl. Erzengels Michael. Die Inschriften der Glocken sind leider nicht überliefert.
Als 1942 die Glocken erneut abgeliefert werden mussten, verließen alle vier ihr Heim in luftiger Höhe auf Nimmerwiedersehen. Bald nach dem Ende des Krieges drängte es auch die Pfarrei St. Pölten nach neuen Glocken, die sie, wie auch Mariae Himmelfahrt, beim Bochumer Verein bestellte. Widrige Umstände führten jedoch dazu, dass die Glocken aus Gussstahl nicht geliefert werden konnten. Während im Turm von Mariae Himmelfahrt bereits 1947 neue Glocken erklangen, musste sich die Mutterpfarre Weilheims unter Stadtpfarrer Sebastian Hackl noch bis 1953 gedulden. Erst dann erhielt sie von der Landshuter Gießerei Johann Hahn neue Glocken. Die kleinste der Kennerknecht’schen Glocken hatte nicht abgeliefert werden müssen und wurde nun, um ein stimmiges Klangbild zu erhalten, umgegossen.
Bilder aus dem Glockenturm – 6.11.2015
Am 13. September 1953 konnte Dekan Philipp Rau von Polling schließlich vier neue Glocken weihen.
Die größte Glocke, 700 kg schwer und auf f1 gestimmt, wurde dem Pfarrpatron, dem Hl. Märtyrer Hippolyt geweiht, wovon auch das Relief mit der Darstellung des Heiligen und die Inschrift kündet: „HL. HIPPOLYTUS, IN DEM STREITE DIESER ERDE SEI DU UNSER SCHUTZPATRON ! / FÜR DEN HIRTEN UND DIE HERDE BITTE STETS AN GOTTES THRON!“
Die zweite Glocke, 350 kg schwer, mit der Stimmung a1, ziert eine Darstellung des Heiligsten Herzens Jesu und die Inschrift: „IN UNSEREN SEELISCHEN NÖTEN SEI DU, UNBEFLECKTES HERZ MARIÄ, UNSERE HILFE!“
Das Relief der dritten Glocke zeigt die Hl. Mutter Anna, Stadtpatronin seit 1632 und in St. Pölten hoch verehrt. Die Glocke mit dem Ton c2 hat ein Gewicht von 220 kg. Auf ihr ist zu lesen: „MUTTER ANNA, STEH UNS BEI IN ALLER LEIBESNOT UND SEGNE AUCH DIE FELDER FÜR UNSER TÄGLICH BROT!“, und auf dem unteren Glockenrand: „GESTIFTET VON FAMILIE KRIESMAIR, SCHÜTZENSTRASSE“.
Die vierte und zugleich kleinste Glocke, die auf d2 gestimmt ist, wiegt nur 150 kg. Sie ist dem Heiligen Joseph geweiht und wird durch ein Relief mit der Darstellung des Nährvaters Jesu und der Inschrift „HL. JOSEF, HILF UNS IN UNSERER STERBESTUNDE!“ geziert.
Joachim Heberlein